Sie ist eine trutzige Wehranlage und zugleich Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten: Daher wurde die Westmauer der mittelalterlichen Stadt Zons zum Pilotprojekt einer ökologisch-denkmalgerechte Sanierung. Der Zahn der Zeit hatte an der mehr als sechs Meter hohen Stadtbefestigung genagt, sodass vor allem die Brüstung oberhalb des früheren Wehrgangs nicht mehr standsicher war. Die besondere Herausforderung bestand darin, bei der notwendigen Instandsetzung Rücksicht auf den Naturschutz zu nehmen, denn von ihrer Flora und Fauna her ist die Zonser Stadtmauer von überregionaler Bedeutung. Hier siedeln vor allem wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten.
Mit Unterstützung durch die Biologische Station in Knechtsteden, den Landschaftsverband Rheinland und vielen weiteren Partnern gelang es dem zuständigen Eigenbetrieb der Stadt Dormagen, sowohl den Lebensraum schützen als auch so viel wie möglich von der historischen Bausubstanz zu erhalten. Im Vorfeld der Instandsetzung wurde eine exakte Schadenskartierung vorgenommen. Parallel dazu erfolgte eine Bestandsaufnahme der Flora und Fauna durch die Biologische Station. Auf dieser Grundlage wurde gemeinsam ein Konzept entwickelt, das von vorangegangenen Sanierungen deutlich abweicht. So blieben größere Bereiche des knapp 50 Meter langen Mauerabschnitts völlig unangetastet. Bevor die Arbeiten starteten, „evakuierte“ das Team der Biologischen Station bereits zahlreiche Tiere und Pflanzen. Auch Erdablagerungen mit Samenmaterial wurden vorsorglich gesichert.
Einen neuen Weg beschritten die Beteiligten bei der Wiederherstellung der Mauerkrone. Sie wird nun nach historischen Vorbildern wieder durch eine Grassode gegen die Witterung geschützt. Besondere Sorgfalt galt ebenso bei der Auswahl des Kalkmörtels, der sowohl dem Mauerwerk gerecht wird als auch Nährstoff für die Pflanzen ist. Darüber hinaus ist der Mörtel CO2-neutral. An der Schloßstraße, wo sich einstmals das Feldtor an die Mauer anschloss, ist die Abbruchkante nach der Sanierung weiterhin sichtbar. Hier schauen auch schwere Basalte aus dem Mauerkern hervor.
Um Denkmalschutz und Naturschutz unter einen Hut zu bringen, waren Kompromisse erforderlich. Aus ökologischen Gründen konnte die Brustwehr an drei Stellen trotz mangelnder Festigkeit nicht erneuert werden. Hier sorgen stählerne Fangnetze und die Injektion von Bindemitteln nun für die nötige Sicherheit.
Über die Flora und Fauna der Stadtmauer können sich Zons-Gäste in Zukunft umfangreich informieren. Im Auftrag der Stadt kümmert sich die Biologische Station um eine Schautafel und eine Audio-Station, die beide am Eingang zur Altstadt vor der Westmauer entstehen sollen. Zwei kleine Beispiele hierzu: Die Zahnlose Schließmundschnecke, die als seltene Tierart auf der Mauer siedelt, wird den meisten Menschen kein Begriff sein – ebenso wie das in Zons nach vielen Jahrzehnten wiederentdeckte Zwiebelrispengras. Die Gäste sollen erfahren, warum auch diese Arten besonders erhaltenswert sind.
Finanziell gefördert wurde das Pilotprojekt durch Bundesmittel und eine Spende der NRW-Stiftung an den Zonser Denkmalschutzverein.